Markus Herrmann:
"Teamfähigkeit und Begeisterung sollte man mitbringen"
MS = Marianne
Stenglein, MH = Markus HerrmannBild v.l.: Sideris Tasiadis, Markus Herrmann MS: Seit Jahren lesen wir Deinen Namen als Leiter der Wettkampforganisation bei den vielen bisher durch die Kanu Schwaben ausgerichteten Kanuslalom Weltcups (23 Weltcups und unzählige nationale Qualifikationen und sonstige Großevents). Vermutlich wird das auch bei Kanuslalom Weltmeisterschaft 2022 in Augsburg der Fall sein, welche die Stadt Augsburg mit den Mitarbeitern der beiden Augsburger Vereine ausrichtet. Gerne hätte ich heute über Deine Erfahrungen als internationaler Kampfrichter mit dem Bsp. Kanuslalom Weltmeisterschaft in Bratislava/Slowakei interviewt. MS: Wie häufig warst Du schon als „Judge“ international eingesetzt und wo? Welche Strecken behagen Dir? MH: Wie oft kann ich gar nicht mehr sagen, ich bin aber jedes Jahr mindestens 3 - 4-mal als Kampfrichter auf internationalen Wettkämpfen eingesetzt. Dieses Jahr war ich z.B. auf der EM in Ivrea und WM in Bratislava. Meine Lieblingsstrecken sind in Seu d´Urgell und Ivrea. MS: Welche Voraussetzungen benötigt ein Kampfrichter, Kampfrichterin um international eingesetzt werden zu können? MH: Man benötigt natürlich den ICF-Kampfrichterschein, den man über ein aufwendiges Prüfverfahren (Theorie und Praxis) meist am Rande einer WM erwerben kann. Voraussetzungen sind natürliche langjährige Erfahrungen als Kampfrichter im nationalen Bereich (BKV - DKV) und selbstverständlich gute Englischkenntnisse. „Amtssprache“ ist quasi Englisch, so werden auch die einzelnen Prüfungsteile gehalten. Weitere Sprachkenntnisse sind erwünscht. Man sollte teamfähig sein und Begeisterung für Wettkampfsport Kanu mitbringen. MS: Bedingt durch die Corona Pandemie gab es ja viele Hygiene - Vorschriften. Wie äußerten diese Maßnahmen sich bei den „Judges“ im Fall der Weltmeisterschaft 2021? MH: Wie schon bei der Olympiade in Tokyo war ein sehr strenges Hygienekonzept Voraussetzung, dass die WM überhaupt stattfinden konnte. Es wurde nicht nur die 3 G-Regel (geimpft-getestet-genesen) gefordert, sondern jeder musste bei seiner Ankunft nochmals vor Ort getestet werden. Danach durfte man die „Sportstätte“ nicht mehr verlassen. Das bedeutet, dass wir uns für eine Woche nur im Hotel oder an der Wettkampfstrecke aufhalten durften. Zum Glück ging alles gut und über 1400 durchgeführte Tests waren alle „negativ“. MS: Wann beginnt normalerweise jeweils Dein Einsatz an der Wettkampfstrecke an und wann endet er? MH: Unsere Tage sind an den Wettkämpfen sehr lange. Wir kommen als Erste (Meeting schon vor der Streckenvorfahrt) und gehen als Letzte - nach Ablauf der Protestzeit, Prüfung von Einsprüchen etc. und dem u.g. Debriefing. Also 10 Stunden und mehr sind keine Ausnahme und dabei nur kurze Unterbrechungen/Pausen. MS: Wo wart ihr untergebracht und wie weit war es bis zur Wettkampfstrecke „Cunovo“ bei Bratislava? MH: Die Unterbringung war toll, aber wir hatten Shuttle-Zeiten mit dem Bus von über 50 Minuten einfach! Einmal wählte der Fahrer die falsche Tour und musste im Berufsverkehr durch Bratislava, was 90 Minuten dauerte. Der Rennbeginn musste deswegen um 30 Minuten verschoben werden, weil ohne Kampfrichter kann man kein Rennen starten. Abfahrt war täglich um 07.15 Uhr und wir kamen meist nach 20.00 Uhr zurück. Das Sport Hotel X-Bionic, war top und sehr modern. Es gab auch genügend Sport und Freizeitangebote, allerdings durften wir das Areal, außer zur Wettkampfstrecke, nicht verlassen, aber dazu bleib auch wenig Zeit. Die sonst übliche Eröffnungsfeier, Empfang, etc. sind coronabedingt leider alle entfallen. MS: Wo warst Du speziell eingesetzt, denn die Weltmeisterschaft beinhaltete ja zudem noch CSLX – bekannt als Boatercross - nur im Kanuslalom Wettkampf und immer an der jeweils an der selben Torkombination? MH: Ja ich war im Vorlauf und bis zum Finale an derselben Section - einem Aufwärtstor nach einer Walze - eingeteilt, was grundsätzlich von Vorteil ist. Man hat dann das ganze Rennen denselben Streckenabschnitt im Blick und kann ihn auch besser bewerten. Auch hier sind Aufwärtstore schwieriger zu fahren und deswegen auch schwieriger als Kampfrichter zu werten. Für mich war es wieder mal sehr interessant. Ich hatte auch die ganze Zeit eine slowenische „Kollegin“ an meiner Seite, die schon mehr Erfahrung im Boatercross hat als ich bisher. Wir haben uns also mal wieder hervorragend ergänzt. MS: Erläutere doch bitte die Unterschiede zu einer Kanuslalom Wertung an den Toren und der Wertung der Boater Cross Tore. MH: Im Unterschied zum Kanuslalom dürfen die Tore berührt werden. Es zählt nur die korrekte Befahrung - das bedeutet Rot: aufwärts Grün: abwärts und der ganze Kopf und ein Teil des Bootes muss das Tor „passieren“. Hinzu kommt, dass die Kampfrichter im Auge haben müssen, dass die Fahrer nicht unfair agieren - bedeutet, das Paddel, darf nicht gegen die Konkurrenten „eingesetzt/geführt“ werden und man darf die anderen Fahrer mit dem Boot zwar abdrängen, aber dabei nicht direkt gegen den Körper des anderen Kanuten fahren, also keine Gefährdung. Das ist bei der Dynamik und 4 Fahrern gleichzeitig auf der Strecke nicht immer ganz einfach. MS: Welche Schwierigkeit stellt es für den „Judge“ dar, die Eskimorolle im Boatercross zu bewerten? MH: Die Teilnehmer müssen in einem genau markierten Bereich rollen. Das bedeutet nicht zu früh und nicht zu spät und komplette 360 Grad Rolle, bevor die nächste Tor-Kombination wieder ansteht. Es sollte deswegen schon bei der Streckenplanung sorgfältig auf eine genaue Platzierung geachtet werden. Nachdem wieder bis zu 4 Teilnehmer gleichzeitig rollen, sollten die eingesetzten Judges (offizielle Bezeichnung für Torrichter) ein eingespieltes und erfahrenes Team sein. MS: Wir häufig haben die „Judges“ Debriefing nach den jeweiligen Wettkämpfen und wer analysiert das Ganze? MH: Die Debriefings finden täglich nach den Wettkämpfen oder in einer passenden Pause statt. Es gibt auch noch Vor- und ggf. zusätzliche Nachbesprechungen. Gehalten werden sie grundsätzlich vom Hauptschiedsrichter*in. In Bratislava war es Sue Natolie, aber auch Jean-Michel Prono, Präsident der ICF, und Chief Assistant Alena Maskova waren regelmäßig dabei. Bedarfsweise kommen auch noch Video-Judges dazu oder werden zu Rate gezogen. Also wir geben uns wirklich viel Mühe, um eine möglichst genaue Bewertung abzugeben, um einen fairen Wettkampf damit zu ermöglichen. MS: Bei einer Weltmeisterschaft wie in Bratislava waren wie viele internationale Judges im Einsatz und aus welchen Ländern kamen sie? MH: Ich habe gerade nochmal nachgezählt - für alle Bootsklassen waren insgesamt über 30 Torrichter im Einsatz. Die weiteste Anreise hatte Sue Natolie aus Australien und 2 Kampfrichterinnen aus Brasilien bzw. Mexiko. Sicherlich wurden hier in Bratislava vornehmlich Judges aus Europa mit kürzeren Wegen gewählt, weil das ganze natürlich auch eine Kostenfrage ist. Wir sind aber immer ein „bunter Haufen“ aus nah und fern, was das Ganze aber auch immer interessant und abwechslungsreich macht. MS: Die Freundschaften bei den „Judges“ sind – aufgrund ihrer internationalen Einsätze gewachsen, bei den Kanu Schwaben sind momentan schwer im Einsatz Stefan Schäfer, Cornelia Wollenschläger und Du sowie? Welche privaten Zugeständnisse müsst Ihr machen um dabei zu sein? MH: Neu hinzugekommen ist Fabian Dörfler, der seine theoretische Prüfung schon bestanden hat und jetzt in Bratislava noch seine praktische Befähigung unter Beweis stellen durfte. Privat ist natürlich wie immer ein starker Partner*in an seiner Seite wichtig, der den entsprechenden Zeitraum schafft sein Engagement für den Kanusport zu ermöglichen MS: Ich bedanke mich, dass Du einen Einblick in diesen – äußerst wichtigen Bereich eines Wettkampfes - gegeben hast . Vielleicht verlockt das einen oder anderen unserer nationalen KSA Kampfrichter, sich auch den internationalen Prüfungen zu stellen. Denn eines ist sicher, es ist stressig, aber sehr schön wie ich aus eigener Erfahrung weiß. Marianne
Stenglein 07.10.2021
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