Expedition ins Ungewisse – Schwabenkanute Fabian Dörfler in Sibirien Kajakexpedition nach Russland – das hörte sich von Anfang an sportlich an. Wohin genau? An den Baikal. OK, der liegt da ganz weit im Osten in Richtung China, genauer gesagt an der Grenze zur Mongolei. Das Klima sollte im Juni, Juli angenehm sein. Unser Zielflughafen sollte Irkutsk sein, also eine recht große Stadt mit allem was dazugehört. Na ja, das wird dann vielleicht doch gar nicht so wild und abgelegen… Weit gefehlt! Unsere Expedition ins Ungewisse, wie sie Olaf im Voraus getauft hatte, machte ihrem Namen alle Ehre. Mit dabei waren Olaf Obsommer (Nussdorf), Florian Dillier (Schweiz), Jared Meehan (Neuseeland),
Tomass Marnics (Lettland) und
Sascha aus Irkutsk. Tomass war 2008 schon mal in der Gegend
unterwegs und hatte sich einen Fahrplan für unsere dreiwöchige
Tour ausgedacht. Wir Übrigen hatten darüber recht wenig erfahren,
also ließen wir uns zwangsläufig überraschen. Los ging es schon mal bei der Einreise in Moskau, als ich kurzfristig ein neues Visum gebraucht habe, weil bei mir das falsche Datum eingetragen war. Ein paar Stunden und 20 Euro später ging es aber weiter nach Irkutsk. Bei insgesamt 8 Stunden Zeitverschiebung war am nächsten Tag nach der Pressekonferenz hauptsächlich schlafen angesagt. Abends sollte es eigentlich nur gemütlich zum Essen gehen. Gut, man hätte sich eigentlich denken können, worauf das hinauslaufen sollte. Wenn es nach unseren Russischen Freunden gegangen wäre, wären es wahrscheinlich noch mehr als nur fünf Flaschen geworden. Am Mittwoch wurde dann wieder viel geschlafen, diesmal im Auto. Entlang der Grenze zur Mongolei ging es ins Sayan-Gebirge.
mal umgedreht. Wir mussten die Zeit ja sowieso irgendwie totschlagen. Ich träume gerade irgendetwas, als Tomass ruft: „Fabian, are you alive? Wake up, it’s winter.“ Bitte was? Winter? Ich mach die Augen auf und es liegen gut 10 cm Neuschnee. Na, Spitze! Wir hatten uns ja mehr auf ne Mückenplage bei 30 Grad eingestellt. Zum Glück boten uns die Jäger, die den LKW fuhren, eine Hütte mit Kamin an. Am nächsten Tag ging es dann bei kräftigem Schneetreiben auf der Ladefläche eines uralten Ungetüms von LKW über den Pass. Die mannshohen Räder waren dabei zum Teil bis zur Hälfte im Schlamm eingegraben. Dass es ansonsten über weite Strecken einfach durchs Flussbett ging, war eigentlich ganz normal. Wir kamen dann an einem weiteren Camp an. Dort suchen Russische Geologen nach Gold und bauen außerdem große Mengen Jade ab. Dort mussten wir noch zwei Nächte in einem Container ausharren, bevor es endlich wärmer wurde und wir endlich lospaddeln konnten. Der Schnee blieb von nun an zum Glück aus. Insgesamt konnten wir uns wirklich glücklich schätzen, dass wir immer dann ein festes Dach und einen Kamin gefunden haben, wenn das Wetter besonders schlecht war.
Die Kernstelle in der Kitoy-Schlucht konnten wir leider auch nicht befahren. Der Wasserstand war so massiv hoch, dass das kleinste Risiko einer gepoppten Spritzdecke schon zu groß war. Wenn der 7-Meter-Drop und die restlichen riesigen Walzen nichts ausgemacht hätten, dann hätte sicher die Siphon am Ende noch zugeschlagen. Jegliche Art Sicherung hätten wir sowieso nicht aufbauen können. Die Wände der Schlucht waren schließlich mindestens 50 Meter hoch und senkrecht. Leicht enttäuscht umtrugen wir die Schlucht am nächsten Tag, weil der Wasserstand nicht zurückging. Zum Glück wartete aber schon das nächste Highlight auf uns. Der 14 Meter hohe Wasserfall des Eche Gol hing Jahre lang als Poster in meinem Zimmer und ich freute mich schon darauf, seitdem mir Olaf von der Expedition berichtet hatte. Die Einfahrt zum Wasserfall geht ums Eck und ist etwas knifflig. Dafür kommt einem der Wasserfall aber nicht besonders hoch vor, weil man eigentlich nie eine Abrisskante sieht. Man kommt nur ums Eck, wirft das Paddel weg und rollt wieder hoch. Unten im Pool ist sehr viel Platz und es kann nichts passieren. Flo hat leider sein Paddel zerbrochen, weil er es unbedingt festhalten wollte, aber sonst ging alles glatt.
die Familie und Freunde von Tomass schon erwarteten. Sie machten eine zweiwöchige Wandertour und hatten gleichzeitig dort ihren Zwischenstopp geplant. Dort gibt es unzählige Quellen auf engem Raum, die alle für einen bestimmten Zweck gut sein sollen. Wenn man trotz des merkwürdigen Geschmacks alle probiert hat, dürfte man eigentlich nie mehr krank werden. Der Fluss selbst war dann leider ziemlich enttäuschend. Gefälle und Wassermenge hielten sich in Grenzen, also lagen unsere Hoffnungen von nun an auf dem nächsten Seitenfluss, dem Beluty. Der Beluty war zwar keine Erst Befahrung, aber das hatte insofern den Vorteil, dass wir von Tomass wussten, dass wir dort auf unsere Kosten kommen würden. Der Wasserstand passte und es waren diesmal nur 6 km Fußmarsch. Es gab einen gut 10 Meter hohen Eingangswasserfall, ein paar kleinere andere Hüpfer und eine Doppelstufe aus 2 Meter Drop, ein Meter Walze und noch mal 5 Meter Drop. Das ganze natürlich bei kristallklarem Wasser. Es
folgten noch die restlichen 80 km auf dem Kitoy, ehe wir nach 16 Tagen
wieder von einem Van abgeholt wurden. Wir sollten uns darauf
einstellen, dass die 150 km bis Irkutsk etwa 3 Stunden dauern sollten.
Letztendlich waren es 6 Stunden. Ich weiß nicht ob der Fahrer einen Führerschein
hatte, aber offensichtlich hatte er ein Problem mit den Augen, weil er
es zum Beispiel nicht für nötig hielt abzubremsen wenn eine 20 cm
dicke Wurzel unseren Weg kreuzte. Das gebrochene Dachfenster fiel Olaf
ins Genick und auch sonst war die Fahrt Angst einflößender als alle
Wasserfälle, Walzen, Wildschweine und Zecken in den zwei Wochen
zuvor. Ich bin dann direkt am Freitagmorgen nach Hause geflogen, während die Übrigen noch ein paar Tage am Baikalsee verbrachten. Auf mich wartete zu Hause schließlich einiges an Uni und Training. Nach drei Wochen Auszeit fernab jeglicher Zivilisation gab es da einiges nachzuholen. Nicht dass es keinen Spaß gemacht hätte. Ich möchte die Erfahrung auf keinen Fall missen. Aber ich war wirklich froh als ich in Moskau wieder im Flieger saß, der mich nach München zurück brachte. Wenn man sich vorstellt, dass im kompletten Inntal nur ein Wanderweg und ein Hotel wäre, dass man zudem nur zu Fuß oder mit dem Hubschrauber erreichen kann, alle Seitentäler sowieso mit eingeschlossen, dann hat man ungefähr ein Bild von der Landschaft und der Zivilisation im Sayan-Gebirge.
10.08.2009 |